Offener Brief zu Einseitigkeit und Verharmlosung im Amnesty-Brief an die Bundesregierung

Als iranischer Oppositioneller und deutscher Staatsbürger habe ich Ihren Offenen Brief „Stoppt das Sterben in Gaza“ vom 3. Juni 2025, initiiert von Said Etris Hashem, in dem die israelischen Militäraktionen als „Kriegsverbrechen“ bezeichnet werden, mit Bestürzung und Enttäuschung gelesen. Sie fordern einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen und appellieren an die Bundesregierung, Israel nicht länger militärisch zu unterstützen. Was in Ihrem Schreiben nicht erwähnt wird, ist ebenso bedeutsam wie das, was dort steht. Amnesty behauptet, dass es unabhängig von der Politik menschenrechtliche Gesichtspunkte und Forderungen verfolgt, aber was hier in Bezug auf Israel betrieben wird, ist politisch und trägt zur Dämonisierung Israels bei.

https://www.amnesty.de/aktuell/deutschland-gaza-israel-offener-brief-forderungen-bundesregierung

Nicht nur das Verschweigen des Hamas-Terrors wiegt schwer – auch die Auslassung der historischen Dimension des 7. Oktober offenbart Ihren Brief als tendenziös.

Das größte antisemitische Pogrom seit der Shoa – und kein Wort dazu

Am 7. Oktober 2023 verübte die Hamas – unterstützt durch den Iran – das mörderischste antisemitische Pogrom seit 1945. Über 1.200 Menschen wurden grausam ermordet, Familien ausgelöscht, unzählige Frauen vergewaltigt, Kinder enthauptet, Zivilisten verbrannt oder verschleppt – ein Terrorakt von unfassbarer Brutalität.. Dass Ihr Brief dieses historische Verbrechen mit keinem einzigen Wort verurteilt ist ein moralisches Versagen. Wer Frieden fordert, aber Terror nicht als solchen benennt, nimmt ihn hin – öffentlich und wirksam.

Die Hamas – islamistische Terrororganisation mit antisemitischer Charta

Im Schreiben wird kein Wort über die Hamas als Verursacherin dieses Krieges und keines zu ihrer antisemitischen Vernichtungsideologie, zu ihrer Gründungscharta oder ihrem erklärten Ziel, den demokratischen jüdischen Staat Israel auszulöschen, verloren. Sie verschweigen ebenso die bewusste Platzierung von Waffen, Raketen und Tunneln unter Schulen, Krankenhäusern, Moscheen und UN-Gebäuden wie auch die systematische Zweckentfremdung humanitärer Hilfe, die nicht der leidenden Bevölkerung in Gaza, sondern ausschließlich der Hamas, ihren Kämpfern und Propagandastrategien zugutegekommen ist. Diese Strategie macht Zivilist:innen zu menschlichen Schutzschilden – ein kalkuliertes Opfer mit dem Ziel, politisch nutzbare Bilder des Elends zu erzeugen. Die Not in Gaza ist unbestreitbar tragisch. Wer sie jedoch zusammenhanglos betrachtet, ignoriert die zentrale Rolle der Hamas in der Verschärfung der Krise. Eine ernsthafte Analyse und ein verantwortungsvoller Offener Brief an die Bundesregierung muss diese Verantwortung benennen, um die Instrumentalisierung des Leids und damit seine Produktion zu verhindern.

Iran: Ideologischer Brandstifter und Drahtzieher des Terrors

Der 7. Oktober war kein isoliertes Ereignis, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Bewaffnung, Finanzierung und Indoktrination durch das iranische Regime. Am 4. Juni 2025 erklärte Irans oberster Führer, Ali Khamenei, offen: „Der Hass auf den Zionismus […] ist eine Auswirkung der Revolution unseres großen Imam Khomeini.“ „Der Niedergang der Vereinigten Staaten ist eine Folge der Khomeini-Revolution.“

Diese Aussagen belegen erneut den Anspruch des Regimes: globale Islamisierung, Radikalisierung und antisemitische Mobilisierung – insbesondere in westlichen Gesellschaften. In Ihrem Brief fehlt jegliche Benennung der iranischen Verantwortung. Wer Frieden will, darf nicht über den Herd des Feuers schweigen.
Hinzu kommt, dass die Leidtragenden dieser ideologisch und militärisch motivierten Unterstützung der Hamas nicht allein die israelische Zivilbevölkerung und die Hamas-kritischen Palästinenser:innen sind, sondern seit Jahrzehnten die iranische Bevölkerung selbst, die unter gewalttätiger Repression und dem Missbrauch nationaler Ressourcen für internationalen Terror und die Atombombe zur Vernichtung Israels leidet.

Unter den Unterzeichner:innen Ihres Briefes befinden sich auch Menschen iranischer Herkunft oder mit iranischen Familiennamen. Umso schwerer wiegt das Schweigen zur Rolle des Mullah-Regimes. Sie sind während der Jin-Jiyan-Azadi-Bewegung kurzfristig in Medien aufgetaucht, haben aber nach der Unterdrückung dieser Bewegung durch die Mullahs weitgehend geschwiegen.

Palästinensische Stimmen verurteilen die Hamas

Mahmud Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, kritisierte die Hamas öffentlich. Er sagte: „Gebt sofort eure Geiseln und Waffen heraus, damit die Vorwände für Israels Militäreinsatz entfallen!“.
Warum findet sich kein Verweis auf diese Aussagen in Ihrem Brief? Warum bleiben jene Palästinenser:innen unerwähnt, die unter dem Terror der Hamas leiden und in Gaza gegen ihre brutale Herrschaft auf die Straße gehen?

Keine Empathie mit israelischen Geiseln, kein Wort zum Raketenhagel

Ihr Brief fordert einen Stopp der Waffenlieferungen an Israel, verschweigt jedoch weitgehend, dass noch immer 58 Geiseln von der Hamas festgehalten werden, darunter deutsche Staatsbürger:innen. Zwar wird ihre Freilassung pauschal gefordert, unerwähnt bleibt aber, dass Geiseln nicht nur brutal verschleppt wurden, sondern seither schwer misshandelt, gefoltert, ausgehungert oder ermordet worden sind. Das volle Ausmaß des Terrors, dem die Geiseln ausgesetzt waren und sind, macht deutlich, dass es sich hier nicht um eine bloße „Kriegsfolge“, sondern um systematische Menschenrechtsverbrechen handelt.

Kein Wort verlieren Sie über die Tausende von Raketen, die von der Hamas seit dem Oktoberpogrom gezielt auf israelische Städte abgefeuert wurden – auf Zivilist:innen, nicht auf militärische Einrichtungen. Ebenso unerwähnt bleiben die beiden nach dem Pogrom aus dem Iran auf Israel gestarteten ballistischen Raketenangriffe mit jeweils Hunderten von Geschossen – ein gefährlicher Tabubruch, der die gesamte Region destabilisiert. Wer israelische Selbstverteidigung kritisiert, aber den Raketenbeschuss, die Geiselnahmen und den Vernichtungsantisemitismus der Hamas ausblendet, macht sich mitschuldig. Die Freilassung der Geiseln wird von  der Hamas auch verweigert, um anhaltende Wut zu generieren, Opfer-Täter-Umkehr zu provozieren und die öffentliche Meinung zu manipulieren – auch in Deutschland.

Die Hamas repräsentiert Menschen in Gaza nicht

Den Krieg gegen Israel führen die Hamas und ihre Unterstützer – die Hisbollah, die Houthi und deren Förderer, die Al-Quds-Brigade – und nicht die Palästinenser:inen. Eine Organisation, die Frauen entrechtet, LGBTIQ-Personen ermorden lässt, politische Gegner hinrichtet und Wahlen verhindert, ist kein Befreiungsakteur, sondern ein repressives Terrorregime. Wer Würde für Palästinenser:innen fordert, muss zuerst ihre Befreiung von der Gewalt durch die Hamas fordern.

Amnesty-Brief erinnert an BDS- und GG5-Narrative

Ihr Brief erinnert in Tonfall und Struktur an die „GG5“-Initiative der “Kulturschaffenden” in Deutschland und an Narrative der BDS-Kampagne, die durch einseitige Diffamierung israelsolidarischer Stimmen eine gefährliche Boykottstimmung erzeugt. Ihr Schweigen zur inflammatorischen Agenda von BDS fällt wie das Fehlen jeder Differenzierung zwischen legitimer Kritik und antisemitischer Dämonisierung auf.

Ihre unreflektierte Parteinahme repetiert bekannte Muster ideologischer Kampagnen gegen Israel, die unter dem Deckmantel von Menschenrechten agieren – oft mit Rückendeckung autoritärer Regime.

Spätestens seit dem 7. Oktober 2023 rückt der Einfluss des Regimes auf Kulturinstitutionen und Universitäten im Westen erneut ins Blickfeld. Bereits 2001 verbuchten die Mullahs das Teheraner Vorbereitungstreffen für die sogenannte Antirassismuskonferenz der UNO im südafrikanischen Durban, die in antisemitischen Demonstrationen gegen Israel gipfelte, als Erfolg. Der ehemalige Außenminister Javad Zarif sagte: “Die brisante Gleichsetzung von Zionismus und Rassismus war der Erfolg des kleinen iranischen Teams, [das] die Konferenz in eine antiisraelische Demonstration umwandelte.“ Durban kann als Geburtsort der auf den Boykott von Kultur und Wissenschaft konzentrierten BDS-Bewegung betrachtet werden. Bereits damals waren die israelfeindlichen Proteste geprägt von antisemitischen Bebilderungen durch demonstrierende “Kreative”. Diesen “Erfolg” perpetuiert das Regime seit Jahrzehnten und bedient sich dabei im Westen agierender Künstler:innen, Kollektive, Kulturagent:innen und Wissenschaftler:innen. In den derzeitigen Demonstrationen an deutschen Universitäten und Kultuinstitutionen scheint die Strategie erneut aufzugehen, beispielsweise an der UdK Berlin.

Frieden erfordert Ehrlichkeit

Kritik an Israels Regierungspolitik ist legitim – sie wird innerhalb Israels selbst mit großer Schärfe an Netanyahu artikuliert. Doch sie ist nur dann glaubwürdig, wenn sie eingebettet ist in ein Bekenntnis zur Existenz Israels, eine Verurteilung islamistischen Terrors und Solidarität mit allen Opfern – auch den israelischen und den Iraner:innen. Ein Brief, der diese Grundlagen verweigert, trägt nicht zum Frieden bei. Er befördert Antisemitismus und Islamismus.

Notwendige Distanzierung vom iranischen Regime

Ali Khamenei erklärte jüngst: „Die islamischen Regierungen sollen jede Unterstützung für das zionistische Regime blockieren, und die Völker sollen ihre Regierungen entsprechend drängen. Es gilt, die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen zu verhindern und Druck auf die USA als Hauptunterstützer des zionistischen Regimes auszuüben, damit diese ihre Hilfe und Unterstützung einstellen. Es ist auch notwendig, dass Sprecher und gesellschaftliche Meinungsbildner die Völker sensibilisieren und das Bewusstsein für die Forderungen zugunsten Palästinas verbreitern.“

Es ist ein Aufruf zur weltweiten Mobilisierung gegen Israel und sollte ein Warnsignal an westliche Friedensbewegungen, die sich von Teherans Agenda instrumentalisieren lassen, sein.

Appell an die iranischen Unterzeichner:innen

Ich appelliere an Sie, Ihre Haltung zu überdenken und Ihre Unterschrift zurückzuziehen. Wer sich für Menschenrechte einsetzt, darf islamistischen Terror nicht relativieren, israelische Selbstverteidigung nicht dämonisieren und muss das Leid der Palästinenser:innen unter der Hamas benennen.
Ein nachhaltiger Frieden ist nicht denkbar ohne die Abschaffung des islamistischen Genderapartheid-Regimes im Iran – dem Hauptunterstützer der Hamas. Nur durch seinen Sturz kann ein Dialog entstehen, der Gewalt, Hass und Unterdrückung überwindet.

Jin – Jiyan – Azadi
Frau – Leben – Freiheit
Dr. Kazem Moussavi

Sprecher der oppositionellen Green Party of Iran in Deutschland

06.06.2025