Als der deutschen Öffentlichkeit im August 2015 mitgeteilt wurde, dass unter der Schirmherrschaft des damaligen Außenministers Frank Walter Steinmeier in Kooperation der Berliner Gemäldegalerie und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit dem Teheraner Museum of Contemporary Art ein so genannter Kulturvertrag mit dem Iran abgeschlossen wurde, gab es keine vom deutschen Kultur-Establishment vehement unterstützte, illustre Organisation, die dagegen protestiert hätte.

Steinmeiers Kulturvertragspartner verleiht Preise an Gewinner des Holocaust-Cartoon-Wettbewerbs

Laut Vertrag sollten in der Gemäldegalerie sowohl Werke aus der beschlagnahmten Sammlung Farah Dibas, die der iranischen Bevölkerung seit vier Jahrzehnten weitgehend vorenthalten werden, da sie nicht “der Einheit von Islam und Kultur” entsprächen, als auch einige Bilder ausgewählter iranischer Künstler gezeigt werden. Kein Protest, obwohl Künstler*innen im Iran systematisch zensiert, unterdrückt, verfolgt, inhaftiert und hingerichtet werden, obwohl Teheran sie selbst in der Emigration noch mit Todes-Fatwen belegt. Kein Protest deutscher Kulturschaffender oder Wissenschaftler, als aufgedeckt wurde, dass der erste offizielle Repräsentant der Ausstellung Preise an die Gewinner des Holocaust-Karikaturen-Wettbewerbs verliehen hatte und der zweite dessen Mitorganisator war. Kein deutscher Protest, als in Teheran Künstler gegen die Versendung der Werke demonstrierten, so lange sie nicht allen Iranern zugänglich seien. Es gab auch keinen Protest, als Außenminister Javad Zarif eingeladen wurde, zusammen mit Steinmeier die Ausstellung zu eröffnen, weil man, so Steinmeier, „[g]erade in Zeiten schwieriger diplomatischer Fragen […] die Diplomatie der Kultur umso dringender” brauche. Dass die Ausstellung nach den Enthüllungen stillschweigend begraben wurde, lag nicht an der Empörung deutscher Künstler und Intellektueller.

Nun aber empört sich das deutsche Kunst- und Kultur-Establishment, wenn die Kooperation mit BDS, einer selbst über erhebliche Mittel verfügenden Organisation, nicht mehr vom Bund unterstützt werden soll. BDS ist bekanntlich eine Organisation, die explizit zum weltweiten Boykott ausschließlich jüdischer israelischer Künstler, Musiker und Wissenschaftler aufruft.

Die “Initiative GG5.3 Weltoffenheit” behauptet, dass die Freiheit von Wissenschaft und Kunst durch den Beschluss des Bundestages bedroht sei. Der Beschluss jedoch verbietet der BDS-Initiative keineswegs, sich öffentlich zu äußern. Er untersagt ausschließlich die staatliche materielle Unterstützung und das zur Verfügung Stellen von Räumlichkeiten für eine Organisation, deren Hauptbetätigungsfeld der Boykott israelischer Wissenschaftler und die Einschüchterung israelischer und internationaler Künstler ist.

Als ein in Deutschland eingebürgerter, iranischer Oppositioneller, der von der Politik und Kultur des Islamismus, Antisemitismus und der Feindschaft der islamischen Republik gegenüber Israel betroffen ist, kritisiere ich die „Initiative GG5.3 Weltoffenheit“. Deren Unterzeichner fordern unter dem Motto einer angeblichen kulturellen Kommunikation und Verständigung die Fortführung der staatlichen Förderung einer Initiative, die letzten Endes unter dem im Namen der Unterstützung “marginalisierter und ausgegrenzter Stimmen” bloß zum Boykott von Juden aufruft. Dieses “Kauft nicht beim Juden!” vom BDS zu trennen, wie es im “Plädoyer der Initiative” versucht wird, ist unmöglich.

Als einen der Geburtshelfer des 2005 gegründeten BDS kann man vorbehaltlos Javad Zarif nennen, der das Teheraner Vorbereitungstreffen für die so genannte Antirassismuskonferenz in Durban 2001 leitete, und mit der iranischen Delegation vor Ort anwesend war. Das iranische Regime erachtete das “NGO-Forum” in Südafrika, das in antisemitischen Auswüchsen gipfelte, als Erfolg: “Die brisante Gleichsetzung von Zionismus und Rassismus war der Erfolg des kleinen iranischen Teams, das seine Arbeit ohne großen Rummel machte und die Konferenz in eine antiisraelische Demonstration umwandelte.“ (vgl. Andreas Benl, https://t1p.de/rgpn)

Das antisemitische Regime im Iran, das seit Jahren zusammen mit deutschen Einrichtungen diverse Kultur-, Wissenschafts- und Shia-Projekte betreibt, strebt die internationale Isolation des demokratischen Israel und in der Folge dessen Zerstörung an. In die gleiche Richtung wirkt auch die iranische Alquds-Demonstration in Berlin, bei der versucht wird, Israel als “Apartheids-Regime zu delegitimieren.

Seit der Gründung der islamischen Republik im Jahr 1979 wurde durch religiöse Fatwas der staatlichen Ayatollahs und des Revolutionsführers wie auch in einem vom Parlament erlassenen Gesetz der Kauf und Verkauf israelischer Produkte im Iran streng verboten, um die angeblichen feindlichen Aktionen des “zionistischen Regimes” im Gottesstaat zu bekämpfen. Die Islamisten im Iran haben Israel zu ihrem totalen Feind erklärt und bekämpfen alles, was sie als „Auswüchse des Judentums“ betrachten: das Ablegen des Kopftuchs, Feminismus, Homosexualität, die Moderne, die Menschenrechte, die freien Künstler.

Die Unterzeichner der Initiative GG5.3 haben die Opfer des Regimes, die iranischen Kulturaktivistinnen, Schriftsteller und Künstler im deutschen Exil, die sich für eine freie Kultur, Wissenschaft und Meinungsäußerung im Iran und hierzulande einsetzen, weitgehend im Stich gelassen. Es gibt auch keine international so dramatisch erfolgreiche Organisation, die den Boykott aller Künstler oder Wissenschaftler aus dem Iran oder anderer Diktaturen fordert. Und kein iranischer Oppositioneller wünscht sie sich. Es gibt sie nur für die einzige Demokratie im Nahen Osten, für das demokratische Israel, mit seiner ausgesprochen diversen und freien Kultur, Kunst und Wissenschaft.

Javad Zarif und seine Delegation haben mit ihrer antiisraelischen Propaganda dem internationalen Erfolg von BDS in Durban den Weg bereitet. Das Regime propagiert, dass Zionismus gleich Rassismus sei. Was mit einem Blick auf die Realität in Israel leicht zu widerlegen ist. Sein Antijudaismus speist sich aus religiösem Judenhass und dem in Europa entwickelten Antisemitismus, dessen Kulminationspunkt der deutsche Vernichtungsantisemitismus war. Die paranoiden Verschwörungstheorien der Nationalsozialisten, die dem deutschen Vernichtungsantisemitismus eine breite Basis verschafft hatten, finden sich in der weltweiten Propaganda der Islamischen Republik wieder.

Im Gegensatz zum immergleichen antiisraelischen Mantra deutscher Intellektueller steht der Kampf der unterdrückten Menschen im globalen Süden und Osten gegen Islamismus und Despotie – vom Sudan bis zum Iran. Ebenso ist die aktuelle arabisch-israelische Annäherung, im Lichte der – atomaren – Bedrohung durch die islamische Republik, ein Dorn im Auge der BDS-Bewegung wie auch des Regimes in Teheran.

Jegliche Nähe zu vernichtungsantisemitischen Ideologien müsste sich den deutschen Initiatoren und allzu vielen Unterzeichnern des “Plädoyers” – den deutschen Wissenschaftlern, den deutschen Künstlern – von selbst verbieten. Der Hauptprofiteur der BDS-Initiative ist das Regime im Iran, das Israel, das auch aufgrund des von den Deutschen an den Juden Europas begangenen millionenfachen Mordes gegründet wurde, zerstören will.

Dr. Kazem Moussavi (Sprecher der Green Party of Iran in Deutschland)
22.12.20