Eine Jugenddelegation aus dem Umfeld der Grünen Partei reiste im August in den Iran. Die Bundessprecherin der GRÜNEN JUGEND Jamila Schäfer teilte mit: “Die private und unabhängig von der GRÜNEN JUGEND geplante Reise steht nicht im Zusammenhang mit der inhaltlichen Positionierung unseres Verbands. Die GRÜNE JUGEND lehnt den Atomdeal mit dem menschenrechtsverletzenden iranischen Regime weiterhin ab und bleibt solidarisch mit Israel.”

Die Iran-Reise von Thees Kalmer und zwei Mitreisenden wurde durch die Gruppe „See You in Iran (SYI)“ organisiert und begleitet von deren AktivistInnen Navid Yousefian, Mahsa Vafai, Sabaa Mabaa, Sogand Afkari und anderen.

Thees Kalmer mit den Freunden im Iran, August 2016

SYI ist unmittelbar nach dem Atom-Deal im August 2015 etabliert worden, um für den Besuch westlicher Jugendlicher im Iran zu werben. Diese Aktivitäten werden durch die staatliche Organisation „Iran’s Cultural Heritage Handicrafts and Tourism Organization (ICHHTO)“ gesteuert und gefördert. (Vgl. auch Khameneis Brief an die Jugend des Westens).

Während die Umweltsituation des Landes katastrophal ist und aufgrund der dramatischen Umweltverschmutzung jährlich Tausende sterben und die islamistische Zensur- und Terrorpolitik die freie Entwicklung der Tourismus-Industrie blockiert, wirbt das finanziell geschwächte Regime zur Förderung des Terrorapparats und der Atom-Raketen-Programme für die Reisen, mit Slogans wie: „Rouhani brings to life Iran’s tourism industry“ und „Reisen wider „Iranophobie der USA und Israels“.

Die Förderung des Tourismus dient hier aber in erster Linie nicht einmal dazu, neue Geldquellen zu erschließen, sondern der Indoktrination. In diesem Sinne nutzt auch das Regime die Appeasementpolitik und sind in Deutschland die Iran-Lobbies Atieh Bahar (Bijan Khajehpour), CARPO (Adnan Tabatabai), KPMG (Kaveh Taghizadeh), Arg-e Jadid Travel Co. Teheran (Reza Daneshvar), IHK und DAAD in Teheran (Mostafa Maleki) besonders aktiv. Beim diesjährigem „HAFIS-Dialog“ der Konrad-Adenauer-Stiftung wird Bijan Khajehpour (Atieh Bahar) am 6.10. über „Tourismus und Entwicklung im Iran“ in Weimar sprechen.

Thees Kalmer dient der Islamischen Republik als Mittel zum Zweck, um die vom religiösen Führer und von Rouhani verfolgte Politik der Etablierung des Kampfbegriffs „Iranophobie“ unter der westlichen Jugend durchzusetzen, die im Fokus der islamistisch-antisemitischen Agenda Khameneis steht. Dies geht aus Frau Kalmers auf Facebook veröffentlichtem Bericht über die Iran-Reise ebenso wie aus ihrem Nachtrag deutlich hervor.

Sie beginnt den Text mit einer antiimperialistischen Geschichtsdarstellung Irans zu Zeiten Mohammad Mossadeghs. Sie erwähnt nicht, dass auch Khomenei die Entfernung Mossadeghs wollte. Und Kalmer legitimiert die brutale Machtübernahme der Mullahs – auf einer Linie mit der Demagogie des Regimes und des Appeasements – mit der ursprünglichen Beteiligung später verfolgter, vertriebener und ermordeter demokratischer Oppositioneller. Ihr antiwestlicher vermeintlicher Antikolonialismus ignoriert zudem völlig die Bestrebungen des iranischen Regimes, die gesamte Region religiös motiviert zu kolonisieren.

Anschließend fügt sie aus ihrer kulturrelativistischen Perspektive hinzu: „Die sehr vielfältige iranische Gesellschaft wird (…) von einem machtbesessenen, totalitären und repressiven politischen System beherrscht.“ Jedoch erwähnt sie wohlweislich nicht, dass während sie und Freunde im August vor Ort waren, annähernd 100 Personen (darunter Frauen und Angehörige der kurdischen und sunnitischen Minderheiten) hingerichtet wurden, ohne dass sie protestiert hätten.

Ihr Kulturrelativismus wird mörderisch, wenn sie die Hinrichtungspolitik Rouhanis als erklärbar darstellt: „Nach den Gesprächen, die wir geführt haben, wird Rouhani vor Ort als moderat eingeschätzt. Die dennoch hohen Hinrichtungszahlen wurden uns so erklärt, dass er aufgrund seiner moderaten Politik innenpolitische Härte zeigen muss, um auch die Konservativen hinter sich zu bekommen.“

Damit ignoriert sie den seit nunmehr fast 38 Jahren anhaltenden Freiheitskampf der Iraner, der sie zehntausende Todesopfer und hunderttausende Inhaftierte, Gefolterte und ins Exil Getriebene gekostet hat. Während ihres Iran-Besuches hat die iranische Bevölkerung sich an den 28. Jahrestag der Massaker an den 33000 oppositionellen Gefangene erinnert, die das Regime kurz nach der Beendigung des Iran-Irak-Krieges im Sommer 1988 beging. Dass in dieser Zeit Kalmer und ihre Freunde als Junge Grüne im Iran weilten, ist tragisch ignorant den Opfern des Massenmordes und deren Familien gegenüber.

Kalmer argumentiert – wohlwollend ausgelegt – naiv und ganz im Sinne der Ex-Grünen-Chefin Claudia Roths, die ihre Iran-Reise in der “DIE ZEITverteidigte: „Mit dem Atom-Deal und der damit einhergehenden Öffnung des Irans ist unsere Hoffnung die Stärkung der Vielfalt der iranischen Gesellschaft und eine Veränderung des Irans von unten. Doch dies kann auch nur dann gelingen, wenn wir aufhören, den Iran als Land zu dämonisieren, differenziert Kritik üben und das Land mit den darin lebenden Menschen als Gesprächspartner anerkennen.“

Von Öffnung kann überhaupt keine Rede sein. Und solange Kalmer im Kontext der Iranlobby handelt und den Präsidenten des Holocaustleugner-Regimes bewirbt, dessen Revolutionsgarde und Hizbollah die syrische Bevölkerung ermorden und Israel mit Vernichtung drohen, ist ihre Friedensbotschaft ganz offensichtlich geheuchelt und mündet in eine Täter-/Opferumkehr: „Frieden werden wir nur erleben, wenn wir endlich alle anfangen, miteinander zu reden und versuchen, unsere Ziele ohne Drohung und Beseitigungsfantasien zu kommunizieren. In diesem Sinne können wir nur alle ermutigen, selbst in den Iran zu fahren, eigene Gespräche zu führen, mit diversen Teilen der iranischen Gesellschaft ins Gespräch zu kommen und sich selbst ein Bild von diesem Land zu machen.“

Am Ende schreibt Kalmer: „Wir wollen in diesem Zusammenhang Mahsa, Sabaa, Sogand, Navid und allen anderen von @seeyouinIran für spannende Diskussionen und die tolle Gastfreundschaft danken!” Eine derartige Gastfreundschaft für eine politische Jugenddelegation kann ohne vorherige Benachrichtigung und Erlaubnis der Kulturabteilung der iranischen Botschaft in Berlin und ohne Beaufsichtigung der Geheimdienstorgane im Land niemals stattfinden. Es findet eine systematische Kontrolle von Besuchern aus dem Ausland, Berichten, Kunst, Filmen, Literatur, Musik, Internet und Fernsehen etc. statt.

Es ist zynisch, dass sich Menschen wie Thees kalmer, die nominell für Selbstbestimmung und Menschenrechte eintreten, ein gravierend Frauen unterdrückendes, homophobes und vernichtungsantisemitisches System legitimieren, das in der Region brutale Eroberungskriege führt und befördert.

Im Gegensatz zu seinen Opfern, den Verfolgten, Inhaftierten, Gefolterten und Hingerichteten, ist das iranische Regime – das eben keine Einheit mit der iranischen Bevölkerung, die so angepriesen wird, darstellt – von außen derzeit überhaupt nicht bedroht.

Frau Kalmer erfindet dann noch einen eigenen Begriff für eine nicht existierende dramatische militärische Bedrohung des Iran: “Beseitigungsfantasie”. Die “Beseitigungsfantasie” existiert ausschließlich auf Seiten der iranischen Mullahs, deren Praxis die reale „Beseitigung“ tausender iranischer Oppositioneller, der Krieg gegen seine Nachbarn und der globale Kampf gegen Freiheit und Säkularismus und deren Ziel die Islamisierung der ganzen Welt und die Vernichtung Israels und aller dort lebenden jüdischen Menschen ist.

Mit exkulpierenden Artikeln und aufmunternd solidarischen Besuchen stellen sich solche Delegationen auf die Seite der Herrscher in Teheran und gegen die Iraner, die das homophobe, misogyne, antisemitische und sadistische Regime abschaffen wollen.

Dr. Kazem Moussavi

Sprecher der Green Party of Iran in Deutschland

Herausgeber von Iran Appeasement Monitor-Iraniansforum

Berlin, 3.9.2016