Ich wünschte mir, dass in meiner wunderschönen Geburtsheimat Iran nicht seit 43 Jahren eine religiöse Diktatur herrschte, damit es Besucher:innen möglich wäre, die außergewöhnlichen Landschaften, die historischen Stätten, Werke und Traditionen des Iran und die warmherzige Gastfreundschaft der iranischen Bevölkerung erleben zu können, ohne die Angst, womöglich als Geisel genommen zu werden.
Dass die Besucher:innen aus Deutschland ein Land besichtigen könnten, in dem Homosexuelle nicht gefoltert und hingerichtet würden und Frauen ohne Zwangsverschleierung frei leben könnten. Ein Land, in dem kritische Künstler:innen, Schriftsteller:innen und Kulturaktivist:innen nicht systematisch inhaftiert, exekutiert oder gewaltsam ins Exil vertrieben würden.
Es tut in meinem Herz weh, wenn ich annehmen muss, dass die Organisator:innen von Iran-Reisen den Besucher:innen bittere Informationen vorenthalten werden, nämlich dass das Regime seit vier Jahrzehnten systematisch die Islamisierung im Land immer weiter vorantreibt, dass nicht-islamische Elemente der persischen Kultur und anderer im Iran vorhandenen ethnischen Sprachen, Religionen und humanistischen Traditionen gewaltsam verdrängt und dass Umwelt-Ressourcen, historische Sehenswürdigkeiten und kulturgeschichtliche Schätze im Iran unter den Mullahs zerstört werden.
Es wird außerdem ignoriert, dass mit dem Tourismus eine nicht unerhebliche Menge an Devisen ins Land fließt, die gerade nicht zur Entwicklung von Menschenleben oder des Landes verwendet wird, sondern vor allem der Terror- und Atomkasse des Regimes zugute kommt, während gleichzeitig die iranische Gesellschaft unter zunehmender wirtschaftlicher Not leidet, wegen der staatlichen Misswirtschaft und der Korruption – auch in der Tourismusbranche, die überwiegend von den Firmen der Revolutionsgarden und der religiösen Stiftungen Khameneis dirigiert wird – sowie der weltweiten Förderung von Fundamentalismus, Terrorismus und Antisemitimus.
Dass die oben erwähnten Tatsachen von deutschen Kulturreisenden in den Iran übergangen werden, dass ganz im Gegenteil Frauen, die sich in der westlichen Gesellschaft als Feministinnen betrachten, im Iran bereitwillig den Schleier tragen, scheint mir auch Ausdruck eines in der deutschen Bevölkerung verwurzelten kulturrelativistischen Orientalismus zu sein, der eine mehr oder weniger geheime Sehnsucht nach archaischen Verhältnissen, nach einer imaginären ‘authentischeren alten Zeit’ anzeigt. Es ist anzunehmen, dass dieses Grundgefühl ein relevanter Faktor ist, der dann so etwas wie die ‘deutsche Appeasement-Politik’ und die Bereitschaft zu einem ‘Kulturdialog’ mit einem klerikalfaschistischen Regime hervorbringt. Dabei werden die Mullahs letztlich als Repräsentanten der iranischen Kultur betrachtet, die verharmlost und verklärt werden kann.
Es ist bedauerlich, dass ausgerechnet die Grüne Kulturpolitik sich zum Werkzeug der iranischen Propaganda machen ließ.
Unter dem Motto “See you in Iran“ besuchte im August 2016 eine Delegation der Grünen Jugend den Iran, deren Teilnehmerinnen sich protestlos dem frauenfeindlichen Kopftuchgebot beugten.
https://t1p.de/8syod
Ebenso reiste nach dem Atom-Deal 2015 die amtierende Grüne Kulturstaatsministerin Claudia Roth in den Iran, trotz Kritik iranischer Frauenrechtsaktivistinnen, die gegen die Zwangsverschleicherung kämpfen. https://t1p.de/f6gt8
Es ist evident, dass derartige Reisen in den Iran unter der Diktatur nicht ohne Kooperation und Genehmigung der iranischen Geheimdienste und Visa der Mullah-Terror-Botschaft in Berlin durchgeführt werden können.
Neben den in den letzten Jahren wieder regelmäßigen “Bürgerreisen” aus Freiburg in die Partnerstadt Isfahan und u.a. die so genannten heiligen Städte Qom und Mashhad existiert seit 2015 auch ein schockierend unangemessen blumig angepriesenes Programm der den Grünen nahestehenden Tageszeitung taz namens taz-Städtereisen nach Isfahan (und z.B. Teheran) in Kooperation mit dem Reiseveranstalter Orientexpress.
Seit 2021 bietet die taz nun jährlich 5-6 Iran-Reisen (in Kooperation mit dem Reiseveranstalter Ventus-Reisen) mit Arman Hosseinpour als Reisebegleiter an. Besuche werden auch von dem Herausgeber und Übersetzer persischer Lyrik Kurt Scharf mitorganisiert, der als Kenner iranischer Kultur und Reiseführer fungiert. Er traf sich mit dem Mullah-Botschafter in Deutschland, Mahmoud Farazande, während einer Ausstellung über 5.000 Jahre iranische Kulturen und Künste in der James-Simon-Galerie des Pergamonmuseums in Berlin, IRNA, 16.12.21.
Die nächste von der Taz offerierte Abenteuerreise führt Anfang Oktober 2022 in die von den antisemitischen Mullahs verwalteten Hinrichtungsstädte Teheran, Qom, Isfahan, Yazd, Schiraz und Kashan.
Auf den Bildern sind die antisemitischen Alquds-Märsche der Stadtverwaltung von Shiraz zu sehen, bei denen die Vernichtung Israels gefordert wird (29.4.22). In Shiraz marschierte dabei in erster Reihe der Chef der Revolutionsgarde Hossein Salami. In Isfahan wurde der Marsch von Gouverneur Seyed Reza Mortazavi und den Mitgliedern der Stadverwaltung angeführt (29.4.22).
Der Name der Rubrik, unter der diese Reisen in den Iran beworben werden: ‘TAZ- Reisen in die Zivilgesellschaft’ ist ebenfalls völlig unangebracht. Denn eine vom Staat unabhängige Zivilgesellschaft kann es im Iran nur im Untergrund geben; sie ist für westliche Touristen also nicht zu erreichen. Es sei denn sie besuchten demokratische Regimegegner:innen in den Foltergefängnissen der Mullahs, was die Justiz allerdings nie erlauben würde.
Die kulturrelativistischen Reisen der taz in den Iran unterminieren die Freiheits- und Demokratiebewegung im Iran.
Auch auf den Straßen der geplanten Reiseziele finden derzeit friedliche Massendemonstrationen gegen das Regime statt, mit einer täglich steigenden Zahl von Getöteten und Verhafteten. Es ist leider kaum zu erwarten, dass sich die deutschen taz-Reisenden, den Demonstrierenden anschließen werden.
Die Sprechchöre auf den Demonstrationen richten sich gegen die Verantwortlichen für Korruption, Misswirtschaft, Armut und Repressionen im Iran, gegen die Geschäftspartner der Deutschen: Khamenei, Raisi und die Revolutionsgarde. Es wird gerufen: “Wir wollen keine islamische Republik!”, “Weder Gaza noch Libanon, mein Leben für den Iran!” und “Revolutionsgarde, du bist der Diktator, die ISIS-Armee der Mullahs im Iran!”.
Ich kritisiere daher die Iran-Reisen aus Deutschland respektive die jeweiligen Reiseunternehmen und ihr Klientel. Sie sollten wegen der brutalen Repressionen der Diktatur im Iran beendet werden
Außerdem fordere ich die Bundesregierung auf, deutlichere Reisewarnungen für den Iran auszusprechen, nicht zuletzt nachdem jüngst ein französisches Lehrerehepaar in Teheran als Geiseln genommen worden ist.
Dr. Kazem Moussavi
(Sprecher der Green Party of Iran in Deutschland und Herausgeber von Iran Appeasement Monitor)
24.05.2022
Im Bild: Deutsche Touristinnen im Mausoleum von Hazrat-e-Massoumeh, Schwester des 8. schiitischen Imam-Rezas, in der Pilgerstadt Qom.
Hinweis: Ich habe meine Kritik an den Taz-Iranreisen am 24.5. und am 31.5.22 der Redaktion der ‘Taz- Reisen in die Zivilgesellschaft’ gesendet, mit der Bitte, sie in ihrer Zeitung zur Diskussion zu stellen. Darauf hat die Redaktion bedauerlicherweise bislang nicht reagiert. Ich schließe daraus, dass die Taz nicht daran interessiert ist, ihre Iran-Reisen aus der Perspektive eines Oppositionellen, der aus dem Zensurregime im Iran flüchten musste, an unverhandelbaren universellen Menschenrechten messen zu lassen, 8.6.22, Kazem Moussavi (@KazemDr) / Twitter .