Schattenmacht der Mullahs in Sudan und Afrika: Wie das Mullah‑Regime über Al‑Mustafa, Drohnen und Ideologien Einfluss ausübt
Das Mullah-Regime kehrt mit Nachdruck nach Afrika zurück – und Sudan bildet das Herzstück dieser Rückkehr. Was sich derzeit im Schatten des sudanesischen Bürgerkriegs abspielt, ist weit mehr als ein innerstaatlicher Konflikt. Das Regime verknüpft religiöse Netzwerke, strategische Allianzen und militärische Präsenz zu einer hybriden Machtstrategie, in der Soft Power über die Al-Mustafa-Institutionen und Hard Power durch Drohnen und militärische Unterstützung der Revolutionsgarde ineinandergreifen. Diese Einflussnahme verschiebt Machtverhältnisse, verschärft Gewalt und bedroht die politische Autonomie sowie die Zukunft Sudans.
Seit April 2023 kämpfen zwei zentrale Akteure um die Kontrolle im Sudan: die Sudanese Armed Forces (SAF), angeführt von General Abdel Fattah al‑Burhan, und die paramilitärische Rapid Support Forces (RSF) unter Mohammed Hamdan Dagalo („Hemeti“). Zwischen ihnen tobt ein brutaler Konflikt um Deutungshoheit, Ressourcen und Kontrolle. Beide Seiten werden nach Berichten von externen Akteuren unterstützt – Ägypten oder Golfstaaten werden der SAF zugerechnet, während die RSF Vorwürfen zufolge Unterstützung aus den Vereinigten Arabischen Emiraten erhält. In diesem komplexen Geflecht tritt das Mullah‑Regime als außenpolitischer Spieler auf, der sich zunehmend auf die Seite der SAF stellt, insbesondere durch Drohnenlieferungen und technologische Unterstützung.
Das Mullah-Regime stellt sich dabei eindeutig auf die Seite der SAF – nicht aus religiöser Nähe, sondern aus strategischem Kalkül: Die Armee kontrolliert den Zugang zum Roten Meer, bietet diplomatische Legitimität und steht im Gegensatz zu den VAE-nahen RSF-Kräften. Damit dient Sudan dem Regime zugleich als geopolitisches Ventil für seine Verluste in Syrien, Irak und Gaza.
Die Opferzahlen des Bürgerkriegs sind verheerend: Ein Bericht der UN zeigt allein zwischen Januar und Juni 2025 mindestens 3.384 zivile Todesopfer, viele davon durch Artillerie, Luftangriffe oder Drohnen. Zugleich sprechen andere Beobachter von mehr als 16.650 Toten seit Beginn der Kämpfe im April 2023. Der Einsatz von Waffenlieferungen und insbesondere von Drohnen trägt direkt zur Zunahme jener Opferzahlen bei, weil präzisere Angriffe und Eskalation ermöglicht werden.
Vom Bruch zur Rückkehr: Sudan zwischen Riad und dem Mullah‑Regime
Die Beziehung zwischen Sudan und dem Mullah‑Regime war nie gleichförmig. Unter Omar al‑Bashir existierte enge Kooperation – militärisch, ideologisch und religiös. Doch 2016 kam es zu einem dramatischen Bruch: Sudan stellte die diplomatischen Beziehungen zum Mullah‑Regime ein. Auslöser war der Angriff auf die saudische Botschaft in Teheran und die Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr al‑Nimr aus Saudi-Arabien, was massive Empörung in der sunnitisch dominierten Golf‑Welt schürte. In dieser Konstellation stellte sich Khartum auf die Seite Saudi-Arabiens – nicht zuletzt aus politischem und wirtschaftlichem Kalkül.
Offizielle Besuche und strategische Annäherung: Ahmadinejad und Pezeshkian in Sudan und Teheran
Historisch gesehen gab es auch offizielle Besuche iranischer Präsidenten in Sudan. Mahmoud Ahmadinejad besuchte Khartum im Februar 2007 für eine zweitägige Visite, um die bilateralen Beziehungen zu stärken und strategische Abkommen zu besprechen. Masoud Pezeshkian empfing zudem am 19. Februar 2025 den sudanesischen Außenminister Ali Youssef Ahmed Al‑Sharif in Teheran zu Gesprächen über die Wiederaufnahme der bilateralen Beziehungen. Diese Besuche zeigen die lange und strategische Beziehung zwischen dem Mullah‑Regime und Sudan.
Sieben Jahre später erfolgte eine Umkehr: Im Oktober 2023 nahmen das Mullah‑Regime und Sudan ihre diplomatischen Beziehungen wieder auf. Inmitten des Bürgerkriegs erkannte das Regime eine Gelegenheit. Der Konflikt zwischen SAF und RSF schuf ein Machtvakuum, das genutzt wurde, um nicht nur politisch präsent zu sein, sondern aktiv Macht durch Logistik, Waffen und Ideologie auszuüben.
Al‑Mustafa‑Universität: Ideologisches Netzwerk mit Reichweite
Eines der Kerninstrumente dieser Einflussstrategie ist seit Jahrzehnten die Al‑Mustafa International University. Sie steht direkt in Verbindung mit dem Mullah‑Regime und dient als ideologischer Brückenkopf in Afrika. Analysen zufolge existieren etwa 17 Zweigstellen der Universität auf dem afrikanischen Kontinent sowie rund 100 angeschlossene Institute, Schulen oder religiöse Zentren in ungefähr 30 Ländern – darunter auch in Sudan. Neben den insgesamt über 5.000 internationalen Studierenden aus Afrika wird angegeben, dass etwa 2.000 Studierende in Iran wiederum eingesetzt werden, um nach ihrer Ausbildung in ihre Heimatländer zurückzukehren und dort Wirkung zu entfalten. Auf Sudan spezifische Zahlen kursieren nicht öffentlich umfassend, doch die Präsenz solcher Netzwerke wird als gegeben angesehen. Laut einer persischsprachigen Quelle betreibt die Organisation „Sazman Madares va Hawzahhâ‑ye ‘Uloom Eslâmi‑Khârej Az Keshvar” in Khartum ein theologisch ausgelegtes Lehrinstitut („Ma‘had al‑Imam Ja‘far al‑Sadiq“) unter der Aufsicht der Al‑Mustafa‑Universität.
Über diese Strukturen wird religiöse Loyalität aufgebaut – nicht kurzfristig, sondern langfristig. Mitglieder solcher Netzwerke können Prediger vor Ort werden oder religiöse Gemeinschaften beeinflussen. In einem Land wie Sudan, in dem religiöse Autorität eine große Rolle spielt, verschiebt ein solches Netzwerk das Kräfteverhältnis zwischen traditionell sunnitischen Institutionen und jenen, die ideologisch nahe beim Mullah‑Regime stehen.
Drohnen, Einfluss und strategischer Anspruch am Roten Meer
Parallel zur religiösen und ideologischen Einflussnahme agiert das Mullah-Regime auch über militärisch-technische Kanäle. Zahlreiche Berichte belegen Drohnenlieferungen an die SAF – etwa Modelle vom Typ Mohajer‑6. Diese ermöglichen präzisere Angriffe auf Rivalen wie die RSF und verschieben Gefechtsverläufe in strategisch wichtigen Gebieten. Sudan liegt direkt am Roten Meer und bietet damit einen entscheidenden geopolitischen Hebel: Zugang zu Häfen, dual-use Infrastruktur für zivile und militärische Zwecke und Kontrolle von Logistikwegen zwischen Afrika und dem Nahen Osten. In Zeiten, in denen das Regime in Syrien, Irak und Gaza Wunden erlitten hat, erscheint Sudan als Chance, Boden gutzumachen.
Huthi-Unterstützung im Jemen und Verbindung zum Rotmeer
Ein weiterer strategischer Aspekt ist die Verbindung zum Jemen: Das Mullah-Regime unterstützt die Huthi-Rebellen militärisch und technologisch. Diese Aktivitäten sichern Teheran Einfluss entlang der gesamten westlichen Küste des Roten Meeres. Sudan gewinnt dadurch an Bedeutung als möglicher logistischer Zugangspunkt oder Operationsbasis, über den das Regime seine Präsenz im Rotmeerraum verstärken kann. Die Drohnenlieferungen, militärische Beratung und strategische Allianzen mit der SAF stehen somit nicht isoliert, sondern sind Teil einer umfassenden Expansionsstrategie des Mullah-Regimes, die Sudan und die Rotmeerregion miteinander verknüpft und eine direkte Brücke zu Operationen im Jemen herstellt.
Dieser Zusammenhang zeigt, dass Sudan nicht nur innerstaatlich relevant ist, sondern Teil einer breiteren geopolitischen Agenda des Mullah-Regimes, die ideologische, militärische und maritime Einflussbereiche miteinander kombiniert. Wer in Sudan Einfluss gewinnt, sichert sich einen möglichen Marinestützpunkt oder eine logistische Plattform für zukünftige Machtprojektionen im Nahen Osten.
Rückschläge des Mullah‑Regimes: Gaza, Syrien und darüber hinaus
Die Neuausrichtung Richtung Sudan ist nicht losgelöst von den jüngeren militärischen und politischen Rückschlägen des Mullah‑Regimes in anderen Regionen. Im Gaza-Krieg haben israelische Verteidigungsmaßnahmen der Unterstützungslogistik und Infrastruktur der von Iran unterstützten Hamas massiv geschadet – damit wurde auch der Einfluss des Mullah‑Regimes dort empfindlich getroffen. Durch die Zerstörung zahlreicher Führungsstrukturen, Waffenlager und Tunnelnetze in Gaza sowie durch die dadurch entstandene Isolierung hat das Regime strategische Verluste erlitten. Gleichzeitig hat der Regime-Verbund in Syrien und im Irak an Vormacht eingebüßt, weil vorgelagerte Unterstützungs- und Transitwege unter Druck geraten sind. Diese Rückschläge schüren das Kalkül, sich verstärkt in Afrika – und insbesondere in Sudan – neu zu positionieren.
Schattenwirtschaft, Sanktionen und geopolitischer Kontext
Parallel zu militärischer und ideologischer Einflussnahme nutzt das Mullah‑Regime auch kriminelle Netzwerke in Afrika und Sudan, darunter Drogenproduktion, Schmuggel und Geldwäsche, um Ressourcen und politischen Einfluss zu sichern. Zudem werden verdeckte Finanz- und Handelsströme eingesetzt, um internationale Sanktionen zu umgehen und wirtschaftliche Hebel auszuüben.
Die gesellschaftliche Dimension wird verstärkt durch ethnische und religiöse Spaltungen, die das Regime gezielt nutzt: In Sudan existieren Spannungen zwischen sunnitischen Mehrheiten und schiitisch orientierten Minderheiten. Netzwerke wie Al-Mustafa können diese Konflikte instrumental nutzen und langfristig Loyalität erzeugen.
Internationale Reaktionen sind deutlich: Westliche Staaten, die EU und Golfstaaten beobachten die Entwicklungen kritisch, insbesondere hinsichtlich Infrastruktur am Roten Meer, Machtverschiebungen und des Proxy-Konflikts zwischen Mullah‑Regime und Saudi-Arabien.
Strategische Expansion: Subtile Machtprojektion
Der Kern der Gefahr liegt nicht nur in einzelnen Drohnenlieferungen oder ideologischen Netzwerken, sondern in der systematischen Verknüpfung aller Einflussinstrumente des Mullah‑Regimes. Sudan wird so zum Schlüsselpunkt einer langfristigen afrikanischen Strategie, in der religiöse Bildung, militärische Präsenz und ökonomische Netzwerke ineinandergreifen. Diese koordinierte Expansion könnte die regionale Stabilität nachhaltig unterminieren – und Afrika zu einem neuen Schauplatz geopolitischer Rivalitäten machen.
Kazem Moussavi
Quellen
[1]: Sudan Tribune: Iranian president arrives in Sudan for two-day visit
[2]: VOA: Iran, Sudan Hold Talks in Khartoum
[3]: Reuters: Sudan’s conflict: Who is backing the rival commanders?
[4]: AGSI Analysis – Sudan Is Iran’s Opening for a Foothold in the Red Sea
[5]: UN Report on Sudan Civilian Casualties 2025
[6]: Reuters – Sudan Conflict Death Toll
[7]: Reuters – Sudan cuts diplomatic ties with Iran
[8]: The Guardian – Bahrain, Sudan and UAE follow Saudis in diplomatic action
[9]: Wikipedia – Execution of Nimr al-Nimr
[10]: Radio Tamazuj – Sudan severs diplomatic ties with Iran
[11]: Al Jazeera – Sudan and Iran defy West pressure
[12]: Sudan Tribune – Sudan FM in Iran as Tehran says it is ‘committed’
[13]: Tehran Times – Sudan FM meets Pezeshkian
[14]: President.ir – Relations with Sudan matter to Iran
[15]: New Arab – Sudan, Iran resume diplomatic relations severed 7 years ago
[16]: IFMAT – Al-Mustafa University, Iran’s global network
[17]: The Jerusalem Post – Hamas losses Gaza 2023
[18]: جامعه المصطفی العالمیه در سودان – دانشنامه ملل
 
        
