Reza Pahlavi: Ein selbst ernannter Übergangsführer ohne Legitimation

Reza Pahlavis Auftritt in München am 15.02.2025, bei dem er sich – oder von seinen Anhängern – als künftiger Führer einer Übergangsregierung präsentieren ließ, unterstreicht seinen anhaltenden Versuch, eine zentrale Rolle in der iranischen Oppositionsbewegung zu beanspruchen – trotz fehlender Legitimation. Die „Jin, Jiyan, Azadi“-Bewegung, getragen von mutigen Frauen, ethnischen Minderheiten und politischen Gefangenen, ist dezentral und anti-autoritär. Pahlavis Selbstinszenierung stößt daher auf massiven Widerstand.

Laut Polizeiangaben nahmen am Wochenende in München maximal 1.000 bis 1.500 Iraner:innen aus ganz Europa an der Demonstration für Pahlavi teil. Zum Vergleich: Allein in Deutschland leben über 300.000 Menschen mit iranischem Migrationshintergrund. Die Teilnehmer:innen skandierten Parolen zur Unterstützung Pahlavis und protestierten gegen die Entscheidung der Münchner Sicherheitskonferenz.

In Videos, die von den Pahlavi-Anhängern in sozialen Netzwerken kursieren, sind Rufe wie die folgenden zu hören:
„Lang lebe der Schah!“, „König, König Reza Pahlavi!“, „Tod den drei Korrupten: Mullahs, Linken, Mudschaheddin!“, „Ein Iran ohne Schah ist ein Land ohne Ordnung!“, „Lang lebe die Pahlavi-Dynastie!“, „Oh König der Rechte, kehre zurück nach Iran!“, „Ein Iran ohne die Pahlavis bedeutet ein Land von Fremden!“, „Wir wollen keine Republik, wir wollen unseren Schah!“, „Der König der Könige ist gekommen!“, „Kurus, Darius, Reza Schah!“, „Unsere Krone ist zurückgekehrt – willkommen, Reza Schah!“, „Der Retter Irans ist gekommen – willkommen, Reza Schah!“, „Die Hoffnung Irans ist gekommen – willkommen, Reza Schah!“, „Iraner, rufe laut – rufe deinen Schah!“, „Schah Reza Pahlavi – mutig und furchtlos ist er gekommen!“, „Reza Schah, möge deine Seele in Frieden ruhen!“

Die Proteste seit 2022 zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung eine demokratische und dezentrale Ordnung anstrebt – ohne Rückkehr zu alten Systemen. Monarchistische Ideen finden keine breite Unterstützung. Es gibt keine belegbaren Hinweise darauf, dass Demonstrierende im Iran Slogans wie „Es lebe Reza Pahlavi“ oder „Wir wollen unseren Schah zurück“ gerufen haben. In früheren Protesten wurde jedoch vereinzelt die Parole „Reza Schah, möge deine Seele in Frieden ruhen!“ skandiert – eine nostalgische Erinnerung an seinen Großvater, aber kein politisches Bekenntnis zur Monarchie.

Unter den Pahlavi-Anhängern gibt es zahlreiche aufrichtige Unterstützer:innen – sowohl Iraner:innen als auch nicht-iranische Verbündete im Westen –, die sich seit Jahrzehnten leidenschaftlich für die Freiheit des Iran und das Ende der Islamischen Republik einsetzen. Ihr Engagement ist von unschätzbarem Wert. Allerdings gibt es innerhalb der Bewegung auch extremistische Tendenzen, die den Idealen der Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“ widersprechen.

Dennoch wächst unter Exil-Monarchisten die Skepsis gegenüber Pahlavis politischem Stil – insbesondere weil sich in seinem Umfeld zunehmend ehemalige „Reformisten“ der Islamischen Republik sammeln. Auch linke, republikanische und ethnische Oppositionsgruppen betrachten ihn als Relikt des alten Establishments.

In den 46 Jahren seit dem Sturz seines Vaters hat Pahlavi weder kontinuierliche Oppositionsarbeit geleistet noch eine Partei oder Organisation aufgebaut. Auch hat er sich keiner demokratischen Wahl gestellt – nicht einmal innerhalb der diversen Exil-Opposition. Ein konkretes politisches Programm bleibt aus. Auffällig ist zudem, dass er sich von ernstzunehmenden Regimechange-Aktivist:innen und -Organisationen distanziert hat.

Besonders problematisch sind seine wiederholten Aussagen über Kontakte zu „gemäßigten“ Elementen innerhalb der Revolutionsgarde (IRGC) und der Armee der Islamischen Republik. Falls dies zutrifft, wäre es ein schwerer Makel: Die IRGC ist das Rückgrat des Regimes, verantwortlich für brutale Repression, regionale Destabilisierung, Vernichtungsdrohungen gegen Israel, die Unterstützung von Hisbollah und Hamas sowie für das Raketen- und Atomprogramm des Regimes. Die Protestbewegung fordert hingegen, dass die IRGC international als Terrororganisation eingestuft wird. Jede Kooperation mit ihr sollte als Verrat am Widerstand gelten.

Pahlavis Positionen bleiben widersprüchlich. Einerseits gibt er sich als Verteidiger der Demokratie aus, doch seine Haltung zur möglichen Wiederherstellung der Monarchie bleibt unklar. Er spricht nach dem Sturz des Mullah-Regimes – ohne dafür eine erfolgversprechende Strategie vorzustellen – von demokratischen Wahlprozessen, in denen die Menschen im Iran über ein monarchisches oder republikanisches Staatssystem entscheiden sollen. Doch warum sollten Iraner:innen über ein System abstimmen, das für Repression und Diktatur steht? In Deutschland käme niemand auf die Idee, zwischen Demokratie und Nationalsozialismus wählen zu lassen. So wie Deutschland sich von seiner Vergangenheit distanziert hat, muss auch der Iran autoritäre Regime – ob Islamische Republik oder Monarchie – hinter sich lassen.

Pahlavi hat sich nie glaubwürdig von den Menschenrechtsverletzungen unter der Herrschaft seines Vaters distanziert. Er stützt seine politische Identität auf das Erbe der Pahlavi-Dynastie und wird von ehemaligen Mitgliedern der berüchtigten Geheimpolizei SAVAK umgeben, darunter Parviz Sabeti in den USA. SAVAK unterdrückte einst jegliche Opposition, verfolgte kritische Student:innen und Kulturaktivist:innen und setzte systematisch Folter ein – eine Vergangenheit, die Pahlavi und seine Anhänger nie ernsthaft aufgearbeitet haben.

Auf pro-monarchistischen Demonstrationen skandieren seine Anhänger Slogans wie „Tod den drei Korrupten: den Mullahs, den Linken und den Modjahedin“ oder „Wir wollen keine Republik, wir wollen die Monarchie“. Diese Parolen zeigen, dass sein Lager nicht für eine offene und demokratische Zukunft steht, sondern für die Restauration der Vergangenheit. Pahlavi unternimmt keine ernsthaften Anstrengungen, extremistische Nationalisten in seinen Reihen zu bekämpfen oder sich klar von ihnen zu distanzieren – eine Haltung, die Demokratie, Pluralismus und Gleichberechtigung im Iran gefährdet.

Während er im Ausland von bestimmten Exil-Medien und rechten Politikern in den USA und der Region unterstützt wird, fehlt ihm jede authentische Basis im Iran. Seine Nähe zu geopolitischen Akteuren des Westens, kombiniert mit seiner Ablehnung des bewaffneten Widerstands gegen die Revolutionsgarde und Basij-Milizen – die für viele Iraner:innen eine legitime Verteidigungsmaßnahme darstellen –, während gleichzeitig in monarchistischen Kreisen Forderungen nach einer Intervention von außen laut werden, wirft die Frage auf: Dient sein politisches Engagement dem iranischen Volk oder fremden Interessen?

Die Freiheitsbewegung im Iran kämpft für eine Zukunft ohne autoritäre Strukturen – sei es die Islamische Republik oder eine neue Monarchie. Reza Pahlavi mag sich als Übergangsführer sehen, doch für die Mehrheit der Protestierenden bleibt er eine Randfigur ohne politische Relevanz – vielmehr ein Spalter innerhalb der Opposition und eine Blockade für den Sturz des klerikalfaschistischen Regimes.

Kazem Moussavi

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Bitte lesen Sie:

https://jungle.world/blog/von-tunis-nach-teheran/2025/02/wie-nationalistischer-extremismus-den-freiheitskampf-fuer

https://jungle.world/blog/von-tunis-nach-teheran/2023/03/iranische-opposition-brecht-mit-eurem-vater

https://jungle.world/blog/von-tunis-nach-teheran/2023/02/iranische-opposition-besorgniserregende-entwicklungen

Lehren aus der Geschichte: Die Gefahr des nationalistischen Extremismus innerhalb der Pahlavi-Strömung – Eine Bedrohung für Demokratie, Pluralismus und Gleichberechtigung im Iran

Gastbeitrag von Resa Memarnia:
“Die Hände reichen, um auf dem Azadi Platz zu tanzen”
https://jungle.world/blog/von-tunis-nach-teheran/2025/02/die-haende-reichen-um-auf-dem-azadi-platz-zu-tanzen?fbclid=IwY2xjawIf0NRleHRuA2FlbQIxMQABHfwA1mjdAkuqZwtjHfm7cHzbD-zL0DwPYUfoxIU-h3CGfnMSMbBD1FYTqA_aem_6Z3-KmjPjr2yNeo4nkXm5A