Sudan: Teheran–Moskau gegen den Westen – Die neue Machtachse am Roten Meer
Wie Iran und Russland autoritäre Strategien aus Syrien nach Afrika exportieren – und die Region, Europa und Israel alarmieren
Eine neue Allianz entsteht
Das Telefongespräch zwischen dem iranischen Außenminister Araqchi und seinem sudanesischen Amtskollegen Salem am 31. Oktober 2025 war mehr als diplomatische Routine: Khartoums Danksagung für die militärische und politische Unterstützung Teherans sowie Irans Bekenntnis zur „territorialen Integrität“ und „legitimen Regierung“ des Sudan offenbaren eine strategische Dimension, die weit über freundliche Gesten hinausgeht. Diese Allianz erinnert unweigerlich an Syrien, wo Iran und Russland gemeinsam das Assad-Regime über ein Jahrzehnt lang militärisch, ideologisch und wirtschaftlich stützten – und damit die Grundlage eines autoritären Machtmodells schufen, das nun in Afrika wiederkehrt. Ein ähnliches Muster zeigte sich auch im Ukraine-Krieg, wo Teheran und Moskau ihre Zusammenarbeit militärisch und diplomatisch vertieften.
Iran sichert sich im Sudan geopolitische Zugänge und ideologische Einflussräume: Drohnen, militärische Beratung und die ideologische Vernetzung über die Al-Mustafa-Universität bilden das Rückgrat dieser Strategie. Russland wiederum liefert logistische Unterstützung und arbeitet an der Einrichtung eines potenziellen Marinestützpunkts am Roten Meer – einem Gebiet, das für beide Regime, Putin und Khamenei, von zentraler Bedeutung ist. Nicht zuletzt wegen der Nähe zu den jemenitischen Houthi, die für Teheran nach den Niederlagen von Hamas und Hisbollah durch Israel aktuell zur wichtigsten antiisraelischen Kraft der Mullahs geworden sind.
Die sudanesische Regierung, überwiegend muslimisch und zunehmend antiwestlich, nutzt diese Kooperation zur Bekämpfung rebellischer Milizen und zur Konsolidierung ihrer Macht. Gleichzeitig bleibt die humanitäre Katastrophe unverkennbar: Millionen Menschen sind vertrieben, Tausende getötet. Der Krieg zwischen SAF und RSF hat besonders den Osten des Landes verwüstet; über eine Million Geflüchtete sind laut Berichten der TAZ im ostlibyschen Bengasi registriert – ein Szenario, das eng mit den europäischen Flüchtlingsinteressen und deren stiller Kooperation mit Khartum verknüpft ist.
Historische Wurzeln der Allianz
Die gegenwärtige Kooperation zwischen Teheran und Khartum knüpft an eine lange Geschichte militärischer Beziehungen an. Bereits in den 1990er Jahren galt Iran als zentraler Partner des sudanesischen Sicherheitsapparats. Ein im Sommer 2014 geleaktes internes Dokument bezeichnete die Beziehungen als „strategisch-militärisch“; der damalige Geheimdienstchef General Siddiq Amer erklärte, Iran sei „der wichtigste Verbündete im Bereich Nachrichtendienst und Rüstungsproduktion“.
2012 errichteten iranische Ingenieure mit finanzieller Unterstützung der Exportentwicklungsbank in Atbara eine Wasseraufbereitungsanlage im Wert von 177 Millionen US-Dollar. Im selben Jahr berichteten arabische Medien nach einem israelischen Luftangriff auf die Munitionsfabrik Yarmouk in Khartum, dass die Anlage von den Revolutionsgarden gegründet worden sei. Wenige Tage nach dem Angriff liefen zwei iranische Kriegsschiffe im Hafen Port Sudan ein und blieben dort drei Tage lang vor Anker – ein deutliches Signal militärischer Präsenz am Roten Meer.
Ideologische und kulturelle Dimension
Iran nutzte diese enge Kooperation nicht nur für militärische Zwecke, sondern auch zur ideologischen Einflussnahme. Sudan, ein mehrheitlich muslimisches und zugleich eines der ärmsten Länder Afrikas, galt Teheran als ideales Partnerland mit „revolutionärem Potenzial“. Über kulturelle Programme, wirtschaftliche Investitionen und religiöse Netzwerke präsentierte sich die Islamische Republik als Schutzmacht islamischer Solidarität – ein Konzept, das tief in der Doktrin des „Exports der Revolution“ nach 1979 verankert ist.
Russlands militärische Hilfe an den Sudan
Auch Russland hat seine Präsenz im Sudan deutlich ausgeweitet. Nach Angaben des russischen Vizeaußenministers Mikhail Bogdanov sollen die Sudanese Armed Forces (SAF) „qualitative militärische Unterstützung ohne Einschränkung“ erhalten – im Gegenzug für eine russische Marine- oder Logistikbasis am Roten Meer, vermutlich in Port Sudan. Das Projekt sichert Russland den Zugang zu einem der strategisch wichtigsten Seewege der Welt.
Berichte der TASS und Deutschen Welle bestätigen, dass Moskau an einem langfristigen Militärabkommen mit Khartum arbeitet, das Ausbildungsprogramme, Waffenlieferungen und Infrastrukturprojekte umfasst. Parallel dazu werfen US-Behörden der privaten russischen Söldnergruppe Wagner vor, die paramilitärische RSF mit Flugabwehrraketen beliefert zu haben – eine verdeckte Form russischer Einflussnahme, die den Bürgerkrieg weiter befeuert und Khartums Abhängigkeit von Moskau vertieft.
Bürgerkrieg und humanitäre Krise
Der Bürgerkrieg eskaliert zwischen der regulären Armee (SAF) und der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF), ehemals Grenztruppe. RSF und Regierung tragen gemeinsam Verantwortung für Tausende Tote, Millionen Vertriebene und die Verschärfung der humanitären Krise. Die TAZ berichtet: „Vor zehn Jahren war es noch die RSF, die als Grenztruppe die Flüchtlingsrouten über Sudan nach Libyen abgeriegelt und dafür europäische Finanzhilfe erhielt. Nun hat der RSF-Krieg Millionen Sudanesen in die Flucht getrieben, die Behörden im ostlibyschen Bengasi haben mehr als eine Million registriert.“
Indem die sudanesische Regierung die RSF gezielt für Grenz- und Migrationskontrollen einband, trägt sie direkt zur Verschärfung des Elends bei. Gleichzeitig nutzt sie diese Politik, um internationale Gelder zu sichern – und stützt damit indirekt jene geopolitische Achse, von der sie selbst abhängig ist.
Regionale und globale Machtarchitekturen
Sudan wird zum Labor geopolitischer Machtarchitekturen: Militärische Schlagkraft, ideologische Einflussnahme und diplomatische Legitimation verschmelzen. Weitere regionale Akteure – Türkei, Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate, Libyen und möglicherweise Syrien – verfolgen eigene Interessen. Die Lage spiegelt eine neue Ordnung wider, in der Moskau und Teheran gemeinsam versuchen, den westlichen Einfluss in Afrika zurückzudrängen.
Neben der früheren Kooperation in Syrien zeigt auch der Ukraine-Krieg, wie eng beide Mächte koordiniert agieren. Russland ist – neben China – der wichtigste strategische Partner der Islamischen Republik: Iran liefert Russland Drohnen, Russland bietet diplomatische Rückendeckung im Sicherheitsrat – eine Arbeitsteilung, die nun im Sudan eine afrikanische Fortsetzung findet.
Konsequenzen für Israel
Für Israel ist die Lage am Roten Meer besorgniserregend: Iran nutzt den Sudan als logistischen Korridor, um die Houthi zu versorgen und seine antisemitische Expansionspolitik im Nahen Osten und in Afrika fortzuführen. Die geopolitische Nähe Sudans zu Saudi-Arabien und Eritrea macht die Region zu einem neuralgischen Punkt, an dem iranische und israelische Sicherheitsinteressen direkt in Konflikt kommen. Ein Beispiel für Irans strategische Reichweite ist die vorübergehende Präsenz iranischer Kriegsschiffe im Hafen Port Sudan, wie in einem Bericht von Nama-Asre Iran unter Bezug auf die Al-Sharq Al-Awsat (London) vom Donnerstag, 1. November 2012 festgehalten: Die Schiffe „Khark“ und „Shahid Naqdi“ lagen offiziell im Hafen, nahmen an einer Abschiedszeremonie der sudanesischen Armee teil und verließen Port Sudan am Folgetag. Zuvor lagen iranische Kriegsschiffe nur in Jeddah oder – nach Durchfahrt des Suezkanals – in Tartus/Syrien. Diese Aktion unterstreicht Irans Fähigkeit, Waffen und militärische Unterstützung zu den Houthi zu transportieren – besonders relevant nach den Niederlagen von Hamas und Hisbollah durch Israel, da die Houthi nun die zentrale antiisraelische Kraft für Teheran darstellen.
USA und europäische Verantwortung
Die USA könnten diplomatisch, politisch und über regionale Partner reagieren, Sanktionen verhängen und UN- bzw. afrikanische Friedensinitiativen stärken, um die Expansion der Iran-Russland-Achse einzudämmen. Flüchtlingsabkommen und humanitäre Verpflichtungen binden Deutschland und Europa eng an die sudanesische Regierung, ohne selbst Teil der Teheran-Moskau-Strategie zu sein – eine Konstellation, die jedoch objektiv deren Interessen begünstigt.
Eine Politik der Distanz und des gezielten Drucks ist notwendig: Die humanitäre Katastrophe darf nicht zugunsten geopolitischer Kalküle hingenommen werden, während Russland und Iran am Roten Meer strategische Stützpunkte festigen.
Konsequenzen für iranische Innenpolitik und Protestbewegung
Für das geschwächte iranische Regime bedeutet der Einfluss auf den Sudan zugleich eine innenpolitische Instrumentalisierung: Außenpolitische Erfolge dienen der Legitimation, Ressourcenbindung und Repressionslogik gegen die Protestbewegung im Iran. Während das Regime innenpolitisch unter Druck steht, verschärft das die Konfliktlinien zwischen Machtprojekten und Bevölkerung.
Fazit
Der Sudan zeigt exemplarisch, wie lokale Konflikte, regionale Ambitionen und globale Machtinteressen ineinandergreifen – ein Testfeld autoritärer Strategien mit unmittelbaren Konsequenzen für Nordafrika, Nahost, Israel und die Freiheitsbewegung im Iran.
Quellen
Deutsche Welle – Russlands militärische Präsenz in Sudan
TASS – Russlands Marinebasis in Port Sudan
Anadolu Agency – US-Vorwürfe gegen Wagner in Sudan
Jungle World – Kazem Moussavi: Iranische Netzwerke im Sudan
TAZ – Bericht über RSF und Flüchtlingsrouten in Nordafrika
[Wikipedia (Farsi): Beziehungen Iran
https://x.com/IRIMFA/status/1984328168384446677?s=19


