Brief an Mahsa Jina Amini
Liebe Mahsa,
drei Jahre sind vergangen, seit das Regime dir das Leben nahm. Drei Jahre, seit dein Name zu einem Schrei nach Freiheit wurde. Sie wollten dich zum Schweigen bringen – doch du bist heute lauter als je zuvor. Dein Lächeln, dein Mut und dein Opfer haben eine ganze Generation aufgeweckt, und dein Name ist zu einem Banner der Hoffnung geworden: Frau, Leben, Freiheit.
Du hast uns gezeigt, dass selbst im dunkelsten Moment ein Licht entzündet werden kann. Frauen, die ihr Kopftuch ablegen und verbrennen, junge Menschen, die mit leeren Händen gegen Gewehre stehen, Arbeiter:innen, die trotz Hunger und Repression streiken – all das trägt deine Handschrift. Dein Geist ist in jedem dieser Akte von Mut lebendig.
Das Regime, das dich tötete, ist noch da. Es foltert, es mordet, es droht mit Raketen und Atombomben. Doch so sehr es auch Gewalt ausübt, es kann die Wahrheit nicht auslöschen: Die Menschen im Iran wollen leben, lieben, frei sein – nicht mehr unter der Knute der Mullahs, nicht mehr in Angst, nicht mehr in Demütigung.
Du bist zum Symbol eines anderen Iran geworden: eines Iran ohne Patriarchat, ohne religiösen Zwang, ohne Terror und ohne Diktatur. Eines Iran, der Gleichberechtigung verwirklicht – zwischen Frauen und Männern, zwischen Mehrheiten und Minderheiten, zwischen allen, unabhängig von Religion, Ethnie oder sexueller Orientierung, die heute unterdrückt werden.
Mahsa, wir im Exil, wir in der Diaspora, tragen eine besondere Verantwortung. Wir dürfen dein Vermächtnis nicht verraten, indem wir schweigen oder uns in alten Machtspielen verlieren. Wir müssen deine Bewegung “Jin Jian Azadi” stärken, ihre Stimmen hörbar machen und ihre Botschaft in die Welt tragen.
Und auch die Demokratien im Westen dürfen nicht länger wegsehen. Sie müssen endlich handeln, nicht taktieren. Keine Deals mit den Mördern von Teheran. Keine Illusionen über Reformen. Stattdessen Unterstützung für die Frauen und Männer, die für Freiheit kämpfen. Sanktionen gegen die Revolutionsgarden, die auf die EU-Terrorliste gehören. Schutz für Journalist:innen, Aktivist:innen, Intellektuelle – für all jene, die trotz Gefahr deine Stimme weitertragen.
Liebe Mahsa, sie haben dich getötet – aber sie haben dich nicht besiegt. Dein Name steht heute für das Morgen des Iran. Ein Iran, der frei, säkular und demokratisch sein wird. Ein Iran, der auf Gleichberechtigung beruht und der nicht mehr Feind der eigenen Menschen ist, sondern Freund aller Völker und Israels.
Du bist nicht vergessen. Du bist in jeder Frau, die Nein sagt zur Unterdrückung. Du bist in jedem Jugendlichen und politischen Gefangenen der sich nicht beugen will. Du bist in jedem Menschen, der daran glaubt, dass Iran mehr ist als Ketten, Gewalt und Hinrichtungen.
Sei gewiss: Wir werden dieses Regime überwinden – und deine demokratischen und emanzipatorischen Ideale zu Leben erwecken, damit dein Name für immer als Quelle von Freiheit, Mut und Hoffnung in der Geschichte des Iran leuchtet.
Mahsa, dein Name ist mein Schwur!
Kazem Moussavi